Tchad - Willkommen in der anderen Realität / TCH-01


17. - 19. Februar 2011
Grenzeintritt in Daboah 
Den Grenzübertritt in den Tchad muss man erst noch finden. Nachdem wir stundenlang kreuz und quer durch die erbarmungslose Hitze gefahren sind, sehen wir
wieder einmal ein paar Häuser, das wohl das Dorf Daboah sein muss, gemäss GPS sollten wir nun im Tchad sein. Aber nirgendwo ist eine Strasse oder Piste, geschweige denn ein Ortsschild.
Plötzlich springt ein Mensch in Armeeuniform mit der Waffe in der Hand aus dem Schatten einer Hütte und winkt uns hektisch herüber. Was in der ersten Situation bedrohlich gewirkt hat, stellt sich als völlig harmlos heraus. Er ist, wie viele andere Menschen die wir treffen, sehr freundlich und will natürlich wissen, was uns hierher verschlägt. Nach kurzem Gespräch zeigt er uns die Polizeistation, bestehend aus einer Lehmhütte. 
Den Polizisten muss er im Dorf suchen gehen. In der Zwischenzeit bietet er uns eine Holzbank vor der Station an. Nach langen 30 Minuten in der Tchad-Hitze schlurft ein völlig verschlafener Mensch in anderer Militäruniform zu uns und erklärt, dass er der Polizeichef sei. Wir strecken ihm unsere Pässe entgegen und sind ganz erstaunt dass er sofort die Arbeit aufnimmt. Keine 10 Minuten später hat er unsere Namen, Autonummer, Wohnort in der CH, Berufe etc. in seinem riesigen Buch eingetragen.
Erste Hürde geschafft - jetzt geht‘s zum Verantwortlichen der nationalen Sicherheit. Natürlich muss auch er im Dorf gesucht werden...wieder zieht der Mensch in Militäruniform los. Weitere 30 Minuten in der Hitze gehen vorbei und plötzlich taucht ein in weisses Gewand und Turban gehüllter Mann auf. Freundlich bittet er uns mit Passkopien in sein Büro - ein Wüstenzelt mit 5m2 Fläche. Alles will er über uns und unsere Reise wissen. Auf seinen gut gemeinten Vorschlag, dass sich Oli hier im Dorf niederlässt, Corinne nach Hause schickt, danach vier einheimische Frauen sucht und Gemüse anbaut, geht Oli nach minutenlangem Nachdenken zu meinem Glück nicht ein;-). 
Aber bevor wir losfahren dürfen, müssen wir noch mit dem Verantwortlichen vom Douane wegen dem Fahrzeug reden. Dieser, wie könnte es anders sein, muss natürlich auch im Dorf gesucht werden (das Dorf hat vielleicht 15 Häuser...). Wieder warten wir. Eine weitere Stunde auf der Holzbank bei 40 Grad Hitze vergeht, bis der Mensch in Militäruniform, zusammen mit einem grimmig dreinblickenden Zollbeamten mit Turban und Kalaschnikow im Anschlag, zurückkommt. Nun muss Oli wieder einmal in ein weiteres Lehmbüro.
In dem winzig kleinen Räumchen warte ich, bis er sich eingerichtet hat. Die Waffe mit eingesetztem Magazin zielt genau auf meine Brust, höchstens 10 cm entfernt, seine rechte Hand flach am Griff. Ich betrachte die Waffe ganz genau und mache mir Hoffnung, das sie eh nicht funktioniert, so alt wie sie aussieht. Andererseits war sie vielleicht in manchem Gefecht hier in Gebrauch und ist gut gepflegt worden? Leider fällt mir dann auch noch ein, dass gerade dieser Waffentyp eben sehr robust ist...

DIE Polizeistation in Daboah

Zum Glück geht alles gut. 
Freundlich, jedoch bestimmt teilt er mir mit, dass er das Carnet de Passage natürlich kennt...welche Überraschung! Freundlich unterstütze ich ihn beim Ausfüllen und zeige ihm, wo das Datum, die Unterschrift und der Stempel hin muss;-)) 
Danach geht alles ganz schnell: Rein ins Auto, endlich wieder Fahrtwind geniessen. 
Ab die Post durch die wilden Landschaften des Tchad mit dem Ziel Bol, gemäss dem Reiseführer die berühmteste Stadt am Tchadsee.

Die andere Realität
Auf dem Weg nach Bol. 
Die Landschaft besteht hauptsächlich aus Sand, etwas Gestrüpp und vielen Akazien. Es gibt keine Hauptpiste, sondern nur verschiedene Spuren. Wir schlagen einfach die Richtung Südost ein und fahren quer durch das weitläufige Land. Unglaubliches Gefühl von Freiheit. 

Auf nach Bol!
Sand, Gestrüpp, Akazien...hin und wieder Häuser

Die trifft man überall: Dromedare.
Unser tägliches Training wollen wir dabei auch nicht mehr missen. Mindestens einmal pro Tag „versaufen“ wir in Sandfeldern und müssen uns freischaufeln...dabei leben wir einmal mehr klare Aufgabentrennung...einer muss den Wagen lenken und die andere schaufelt;-))

...jemand muss ja auch den Wagen lenken;-))
Hat sich ihr Bier danach wirklich verdient!

Hin und wieder treffen wir Beduinen und Hirten aus dem Stamm Peul-Fulani, die riesige Rinderherden hüten. Leider hinterlassen diese Tiere so viel Spuren, das wir uns heute bestens vorstellen können, dass solche Herden weltweit Verursacher von einem beachtlichen Teil des CO2 Austoss sind. Die Rinderkacke überzieht das Land. Wenn man das nicht gesehen hat, kann man sich dies fast nicht vorstellen... 
Trotzdem finden wir hin und wieder freie Flächen, wo wir unser Camp errichten können. Einziger Wehrmutstropfen sind, egal wo man sich im Land befindet, die unglaublich vielen lästigen Fliegen, die einem bis nach Sonnenuntergang um den Kopf schwirren. Corinne‘s Theorie besagt, dass diese genau darum da sind, weil es soviel Rinderkacke gibt:-) Vielleicht stimmt das sogar. Hilft uns leider nicht;-)

"Verschönern" das ganze Land:
Riesige Rinderherden der Peul
Was uns hier immer wieder auffällt, sind die scheuen Menschen. 
Kaum treffen wir in einem Dorf ein, rennen die Frauen und Kinder in Schutz und getrauen sich erst nach ein paar Minuten hinter den Mauern hervor. Dann nähert man sich vorsichtig. Ist das Eis jedoch gebrochen, diskutieren sie wild untereinander (natürlich über uns in ihrer Sprache;-), lachen und albern herum. Auch Fotos sind dann erlaubt. Ganz beliebt ist es, die gemachten Fotos auf dem kleinen Bildschirm der Kamera anzuschauen. Oftmals wollen sie danach noch mehr posieren und werfen sich extra in Szene;-) Für uns sind dies die tollen Momente, die wir in unseren kurzen Begegnungen mit den Einheimischen erleben. 

zuerst sehr scheu...
...danach ausgelassen...Lebensfreude der Peul Frauen!

Gleichzeitig nehmen wir wahr, dass die Menschen hier ein wirklich hartes Leben führen. Insbesondere Wasser ist nicht selbstverständlich und auf bestimmte Mengen pro Tag und Familie begrenzt. Die Nahrung ist oft eher einseitig und dadurch bestimmt, was sie auf dem trockenen Boden gerade noch anbauen können. Umso mehr können wir ihre immer auftretende Bitte nach Cadeaux verstehen. Nur können wir leider gar nicht so viel verschenken. Treffen wir jedoch auf Hirten geben wir ihnen gerne Wasser, Brot oder Bisquits ab. 
Immer wieder diskutieren Corinne und ich auch unsere Prinzipien von „nicht einfach Cadeaux verteilen“ und Selbsthilfe als Mittel zur Verbesserung. Sind jedoch die wichtigsten Bedürfnisse wie Essen und Trinken nicht gedeckt, wird es schwierig mit nachhaltiger Denkweise. Maslow lässt grüssen. 
So sehen wir die Arbeit von verschiedenen Organisationen auch immer wieder in neuem Licht. Wir sind überzeugt, dass Entwicklungshilfe gerade hier eine wertvollen Beitrag leisten kann. 

Mit den Hirten und Jägern haben wir oft tolle "Gespräche":
Zeichnungen im Sand
Eine ausserordentlich tolle Begegnung haben wir mit einem Jäger, der tatsächlich noch mit Pfeil und Bogen auf „Buschmeat“-Jagd geht. Dabei erzählt er uns voller Enthusiasmus mit Sandzeichnungen seine Taktik. Das muss man sich erst Mal vorstellen. Für uns ist dies so etwas von einer anderen Realität;-) Steinzeit trifft Moderne. Toll.  

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