Von Geistern und lebendigen Saurieren / NAM05


19. Juli - 01. August 2011
Geistergeschichten um Lüderitz
An Lüderitz scheiden sich tatsächlich die Geister. Einheimische und auch Reisende sind völlig geteilter Meinung über diesen in allen touristischen Blättern erwähnten Ort. 

Sehr wohl ist Lüderitz und Umgebung geschichtsträchtig. Lüderitzbucht (wie es damals geheissen hat) war der erste deutsche Landbesitz in Namibia (Herr von Lüderitz kaufte damals ein grosses Stück Land). Der deutsche Kaiser Wilhelm I. übernahm 1884 das Patronat des Gebiets und danach war es der Ausgangspunkt für die Kolonialisierung vom deutschen Südwestafrika. 
1908 wurden nahe Lüderitzbucht die ersten Diamanten gefunden und danach brach der Diamantenrausch aus. in Kolmanskop wurde eine eindrückliche deutsche Industrie aufgebaut. Tönt doch schon sehr spannend. 
Trotzdem reichen die Empfehlungen von „absolut sehenswert“ bis „muss nicht gesehen werden“. Corinne hat bei einem früheren Namibia Besuch die Mühen auf sich genommen und ist an diesen umstrittenen Ort an der Küste Namibias gereist. Sie stellt sich in das Lager der Zweiterwähnten. Wir müssen eine Entscheidung fällen.
„Ist es nicht gerade die unterschiedliche Wahrnehmung, was den Reiz ausmacht? Also irgendetwas muss ja dort sein. DIe Zeit dafür hätten wir ja“, so Oli‘s Gedankengänge. Eigentlich überlegen wir nicht allzu lange, sondern wollen diesem Mysterium auf die Schliche kommen. 
Von der Betesda Gästefarm fahren wir in zwei Tagen entlang der Grenze des Naukluft Nationalparks durch die Tirasberge bis zum Highway Richtung Lüderitz. Kaum auf der schnurgeraden Strecke eingebogen, senkt sich der Himmel wie Blei über das Land. Nieselregen benetzt unsere staubigen Fenster. Die Szenerie könnte nicht besser zu unserem Vorhaben passen.

Blick in die Tirasgegend
Where the mountains meet the dunes
Grössenverhältnisse

Es ist Samstag. Lüderitz macht in dem mystischen Wetter einen traurigen Eindruck. Menschen sehen wir fast keine auf den Strassen. Nur an einigen wenigen Gebäuden ist die historische Vergangenheit erkennbar, viele andere sind einfach hässliche, kleine Bauten. Der Ort lebt heute vor allem vom Hafen und der dazugehörigen Industrie. 
Neben dem Stadtkern breiten sich die kleinen Holz- und Metallhütten der Nama People wie wucherndes Unkraut flächendeckend nach Norden und Süden aus. Sie vermitteln eine eher ärmlichen Eindruck. Das einzige Camp befindet sich auf einer kleinen Landzunge, an drei Seiten von Wasser umringt. Es windet vom Meer her. Wir installieren uns im Bewusstsein, das wir morgen wieder abreisen werden.Es kommen tatsächlich noch zwei weitere Fahrzeuge. An ihren Gesichtern und der Begrüssung erkennen wir, dass es ihnen wohl ähnlich zumute ist wie uns. Und einmal mehr frieren wir durch die Nacht. 
Am nächsten Morgen fahren wir zum Ghosttown Kolmanskop. 
Um 10:00 beginnt eine Führung. Das Wetter passt wieder perfekt dazu. Geisterstimmung. 
Ein Guide, so alt wie das Dorf selber, führt uns in perfektem Deutsch durch die Geschichte. Anscheinend hat er sogar selber hier gelebt, so detailiert und lebendig schildert er die Geschichten des Ortes. Ein Grossteil der deutschen Namibia Geschichte soll sich hier abgespielt haben. Es ist schon beeindruckent wie professionell das Diamantensdorf organisiert war. Es hat an nichts gefehlt. Schule, Lebensmittelläden, Metzgerei, Bäckerei, Eisfabrik, eine eigene Stromversorgung und viele weitere beeindruckenden Infrastrukturen existierten. Auch an der logistischen Versorgung der Industriebauten und sogar der Herrschaftshäuser durch eine eigene kleine Eisenbahn hat es nicht gefehlt. Nostalgischer Geist kommt auf.
Mehr Infos:
Das einzige gute Foto in Lüderitz ;-)
Die deutsch-historische Kegelbahn in Lüderitz
Zeitzeuge
Willkommen in Ghosttown Kolmanskop
Hier wohnte einst der Buchhalter
...
Blick in die ehemalige Eisfabrik

Immer wieder mal das Haghuri....
Schlussendlich sind wir einer Meinung (endlich wieder einmal;-)): 
Es hat sich gelohnt nach Kolmanskop zu kommen. Lüderitz als Stadt kann man ohne schlechtes Gewissen beiseite lassen, insbesondere wenn man Swakopmund oder Walvis Bay besucht hat oder noch besuchen wird. 
Es bleiben uns noch gut 20 Tage in Namibia. Dann läuft unser Visa ab und wir ziehen weiter - nach Botswana. Es soll dort auch wärmer sein;-)
Wir entschliessen uns nach Osten zu fahren. Über Keetmanshoop in die Kalahari und dann nordwärts ins Hereroland, zur Harnas Wildlife Foundation, bevor wir dann weiter nach Norden durchs Buschmannsland in den Caprivi Streifen einbiegen. 
Einmal mehr macht das Haghuri komische Geräusche. Das Problem mit der Dieselzufuhr ist noch nicht gelöst. Auf halber Strecke nach Keetmanshoop machen wir in Bethanie halt und suchen eine Garage auf. Eine richtige Farmer Garage. Zwischen den riesigen Viehtransportern, mit denen bis zu 800 Schafen auf einmal transportiert werden können, steht unser Haghuri. Mit Reinstopfen würden wir wohl gerade mal vier Schafe mitnehmen können. Der Chef ist ein weisser, untersetzter Namibier mit einem freundlichen, wenn auch von der Kälte stark rotgefärbten Gesichtsausdruck. „May I help you?“, so seine Worte. Wow...Darf ich Ihnen helfen? Ach , sehr gerne;-)
Sofort hat unser Kleinstlaster Vorrang. Nachdem ich das Problem geschildert habe, führt er eine Reihe Test‘s durch. Irgendwo ist Luft im System. Wir hängen alle Schläuche ab, blasen den hinteren Tank und die Schläuche mit Luftdruck durch. Alles dicht. Dann lässt er von seinen Gehilfen den hinteren Tank runternehmen und dann passierts...die Schrauben im Rahmen reissen ab. Mühsame Schweissarbeiten stehen an. Sie sollten erst am nächsten Tag fertig sein. Doch das Problem liegt ganz woanders. Beim x-ten Check der Elektrik fällt uns auf, dass der Magnetschalter, der die Dieselzufuhr regelt, zwar akkustisch, aber nicht mehr physisch umschaltet. Zum Glück habe ich noch einen dabei, denn anscheinend sind diese Ersatzteile nur in Windhoek zu kriegen. Glück gehabt. 
Derweil sich der Chef nun persönlich um die Schweissarbeiten kümmert, soll ich den Ersatzschalter einbauen soll. Am Schluss ist der Chef mit Oli zufrieden. „Hast du gut gemacht“, sagt er anerkennend zu ihm. Und sein Selbstvertrauen steigt...
Ds‘ Haghuri steht noch immer in der Werkstatt und wir wollen die Nacht nicht in der Werkhalle zwischen den Schrottautos verbringen. So entschliessen wir uns in gegenüberliegende B&B zu gehen und geniessen das warme Zimmer und die dicken Daunendecken. Schlafen wie Murmeltiere. 
Als wir am nächsten Morgen um 10:00 in der Garage erscheinen, ist alles bereit.
Ein freundliche Verabschiedung und weiter geht‘s.
  
Daniel und sein Kollege aus dem Nama Volk leisten engagierte Arbeit
So engagiert, dass der Chef am Schluss die Befestigung
des Tanks wieder zusammenschweissen musste...;-)
...und dabei war dieses kleine Ding schuld.
Böser Magnetschalter!!!

Der lebende Mesosaurus und die Köcherbäume
Wir befinden uns auf der Strecke von Keetmanshoop ostwärts in die Kalahari. Links und rechts der Strasse wieder Zäune. Hier beginnen die riesigen Farmen. 20‘000 Hektaren und mehr sind normal. Auf Empfehlung von Einheimischen rasten wir beim Mesosaurus Camp. Der Farmer begrüsst uns freundlichst und erzählt sofort was von Versteinerungen und Köcherbäumen. Seit er vor einigen Jahren versteinerte Mesosaurus Skelette gefunden hat,  hat er sich neben seinen Schafen auch dem Tourismus zugewandt. Er spricht mit einem solchen Feuer, dass wir unbedingt eine geführte Tour durch seine Farm machen möchten. Nachdem wir die Nacht im Buschcamp auf seiner Farm verbracht haben, ziehen wir am Morgen mit ihm als Führer los. Er zeigt uns verschiedene Steinplatten mit Versteinerungen und erzählt uns die Geschichten dazu. Es ist interessant, ihm zu zuhören. Diese Funde, die bisher nur in Namibia und Brasilien entdeckt worden seien, deuten darauf hin, dass die Kontinentalplatten vor Millionen von Jahren tatsächlich verbunden gewesen seien. Brasilien und Namibia sind Nachbarn gewesen. Immer wieder kommen Forscher für Untersuchungen vorbei und seien begeistert. Gespannt lauschen wir seinen Ausführungen. Danach werden wir den Köcherbaumwald geführt. Auf die Frage, warum diese Bäume so heissen, gibt er eine einfache Antwort: Die Buschleute in Namibia, die Saan, schneiden sich die Äste ab, höhlen sie aus und fertig ist der Pfeilköcher. Aha!
Mehr dazu:

Der lebende Mesosaurus - ein herzlicher Mensch!
Die Fossilienfunde sind wirklich beeindruckend.
...nicht minder die vielen Köcherbäume.
Köcherbaumwald
In dieser Stimmung campt man auch gerne bei 2 Grad in der Nacht;-)

Kalahari - Ein Tag im Leben eines Farmers
„Der Peter Möller ist der Kalahari Experte. Ein guter Freund von mir. Da müsst ihr hin“, so die Abschiedsworte des lebendigen Mesosaurus Fossils.
Voller Erwartungen reisen wir weiter ostwärts in die Kalahari. Oli‘s Vorstellungen von der Kalahari sind ganz schön illusorisch. Er schwafelt die ganze Zeit von BBC Tierreportagen, der wilden Landschaft, den Löwen und Erdmännchen. In Wahrheit ist die Kalahari in Namibia wüstes Farmland...ähhmm Wüstenfarmland. Seine TV Erinnerungen spielten sich im Transfrontierpark in Botswana und Südafrika ab. Aber da gelangen wir erst im späteren Verlauf unserer Afrika Reise hin. 
Zurück in die namibische Kalahari. Die gute Strasse führt uns hoch und runter über starlk bewachsene Sandhügel. Man mag kaum glauben, dass hier normalerweise nur Sandhügel zu sehen sind. Endlich erscheint das Schild „Terra Rouge - Guestfarm“. Es ist in weitem Umkreis die einzige Möglichkeit zu campen. Begrüsst werden wir von einem Hühnen von Farmer. Über zwei Meter gross, kräftig, kurze Jeanshosen, Jeanshemd und Cowboyhut. Ein Farmer wie er im Buche steht. 
Gerade zu klein und unscheinbar dagegen Indiana Oli. Als er von den Grüssen aus dem Mesosaurus Camp hört, hellt sich sein Gesicht auf. Er offeriert uns einen tollen Platz für ein Buschcamp auf seiner Farm. A Propos Farm: 20‘000 Hektaren Land (200qkm), 3000 Schafe mit nochmals so vielen Lämmern, 300 Rinder und hunderte von Wildtiere, meistens Oryx und Springböcke. Und viele, viele Erdmännchen. Als wir ihm von unserem Interesse an diesen kleinen, putzigen Tierchen erzählen, lädt er uns spontan zu einem Farmer‘s Day ein. 
Ein Tag als Helfer auf der Farm. Da schlagen wir sofort ein. 
Wir verdienen uns den nächsten Morgen hart, indem wir die Nacht bei -5 Grad überstehen. Die gefrorenen Körperteile tauen wir am morgendlichen Feuer wieder auf und sind dann bereit für den Farmer‘s Day. Gemeinsam mit Peter geht‘s durchs riesige Land. Als erstes kontrollieren wir Zäune und Wasserstellen, wobei wir die riesigen Löcher der Erdferkel und Stachelschweine wieder zuschütten. Den schwangeren Schafen verteilen  wir biologisches Kraftfutter und am Schluss spüren wir noch fünf entflohene Rinder auf und treiben sie in ihre Camps. Wir hatten richtig Freude daran. 
Als Peter dann vorschlägt, dass wir die Rollen tauschen könnten und er mit seiner Familie durch Afrika reise, während wir auf die Schafe aufpassen, überlegen wir nicht lange. Was wir denn mit der Farm anstellen würden, so seine Frage. „Also als erstes würde ich alle Schafe und Rinder verkaufen, mit dem Geld Löwen und Leoparden kaufen und einen riesigen Tierpark aufbauen. Als Führer würde ich dann mit den Touristen Walksafaris machen. Wenn ihr zurückkommt, seid ihr voll im Tourismusgeschäft;-)“, so die enthusiastischen, augenzwinkernden Worte Oli‘s. Peter findet denn Vorschlag gar nicht mal so schlecht, will dann doch nicht mit uns tauschen;-)

Wir bekommen am zweiten Abend weitere Besucher auf dem Camp. Schweizer! Eine aufgestellte Familie aus dem Zürichgebiet, die in ihre Ferien mit einem Safaricamper in Namibia verbringt. Gemeinsam plaudern wir über unsere gegenseitigen Pläne und Afrikaerfahrungen, tauschen Tips und Geschichten rund um Botswana und Namibia aus. Nette Menschen. 
Am nächsten Morgen braust der Farmerhühne mit seiner Motocross Maschine zum Camp und erzählt uns ganz aufgeregt, dass sich eine Gruppe Erdmännchen beim Haus befindet. Gemeinsam mit unseren CH-Freunden machen wir uns auf die Pirsch. Und da sind sie!
Eine Gruppe von zwölf Merkat (wie sie in Afrikaans genannt werden), stehen kerzengerade vor uns und beobachten aufmerksam ihre Umgebung. Alles sicher...und sie ziehen los zu ihrem nächsten Camp (Natürlich die Erdmännchen, nicht die Zürcher ;-))). Wir verfolgen und beobachten sie, bis sie dann endgültig in ihren Löchern verschwinden. 
Tierisch!
Die Verabschiedung von Peter ist sehr freundschaftlich. Wir kaufen bei ihm noch 1,5 Kilo Lammfleisch, das von den Namibiern am meisten gegessene Grillfleisch (Beef und Game Meat wollen vor allem die Touristen essen...).
Von den roten Dünen ist in der
Kalahari Region momentan wenig zu sehen.
Rinder und Schafe - das Vermögen der Farmer
Peter "the big man" mit seinem umgebauten Land Cruiser
Zäune erstellen, kontrollieren, ersetzen
Eine der Hauptarbeiten der Farmer
Die angeheuerten Nama People leisten gute Arbeit
-5 Grad in der Nacht. Arschkalt!
Heisser Tee hilft zu überleben;-)

1. August in Gobabis
Voller schöner Erfahrungen reisen wir 500 Kilometer weiter nördlich nach Gobabis,  der „Hauptstadt“ des nimmer oppositionsmüden Hererovolkes. Schon gehört davon?
Das sind eben die mit den veralteten Kleidern und den Funny Hüten ;-) 
Dort angekommen fahren wir zum „Die Dam“ Camp und werden vom weissen Besitzer herzlichst empfangen. Überhaupt soll auch wieder mal gesagt sein, dass die Gastfreundschaft in Namibia unglaublich ist. Und wir denken, dass es nicht mit dem Geld zu tun. Die Menschen hier sind vielleicht oft etwas hemdsärmlig (vor allem die weisshäutige Bevölkerung), aber immer offen und freundlich gestimmt. 
Eine kleiner Wehrmutstropfen ist leider unser aktueller Aufenthaltsort. Ohne rassistische oder wertende Gedanken, in dieser Stadt ist es sehr speziell. Es ist eine typische „Einheimischenstadt“. Es sind vor allem dunkelhäutige Menschen auf den Strassen. Viele lungern einfach rum. Geschäftsbesitzer, egal ob schwarz oder weiss haben eine leicht grimmige Stimmung und die Herero People oft einen strengen, wenig vertrauenserweckenden Gesichtsausdruck. Wenn wir dann noch die vielen Geschichten um dieses Volk hören (leider sind diese sind oft negativ - die schwarzen und weissen Namibier trauen den Hereros gar nicht über den Weg), dann ist es nicht mehr so einfach unbeschwert auf die Leute zu zugehen. 
Aber vielleicht ist es einfach so, dass wir uns in den letzten Wochen zu fest an das weisse Namibia gewöhnt haben. Und trotzdem...leben wir doch nun viele Monate in Afrika und haben immer tolle Menschen kennengelernt, Freunde gewonnen und überhaupt war schwarz/weiss nie ein Thema. Eventuell trügt uns unser Menschengefühl einfach...
Auf jeden Fall geniessen wir die drei Tage hier, können uns endlich wieder einmal um die Aktualisierung unseres Blogs kümmern ;-), unsere Unterhosen und Socken waschen und den 01. August feiern! 
Das aufgesparte Fondue, das selbstgebackene Brot und die Flasche Chardonnay verleihen der Minifeier einen würdigen Rahmen. Hopp Schwiiz!!

Zuerst die Arbeit...
...dann das Vergnügen;-)
Hopp Schwiiz!!!

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